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Tiere – Bist du taub? – Gesellschaft – SZ.de – Süddeutsche Zeitung – SZ.de

Lesezeit: 2 min
Nee, aber die Füßchen tun weh. Tauben haben keinen besonders guten Ruf. Sie gelten als schmutzig, viele finden sie nervig, manche treten sogar nach ihnen. Laura, 14, findet das unfair. Sie fängt verletzte Tauben und pflegt sie gesund.
Von Kathrin Schwarze-Reiter
Angeschlagen, aber doch auch unheimlich stolz. Eine frisch versorgte Stadttaube.
Es ist heiß an diesem Wochenende in der Fußgängerzone in München – und voll. Die Menschen hasten vorbei. Jeder scheint irgendwohin zu wollen. Laura steht. Sie schaut sich um, gießt Wasser in die Fugen der Bodenplatten, streut ein paar Körner auf den Boden. Keine Brötchen, Pommes oder Döner. Fast Food mit dem vielen Salz macht die Tiere krank. Laura hat Spezialfutter.
Es dauert nur ein paar Momente, dann kommen sie auch schon: Manche sind ganz weiß, andere braun, die meisten schiefergrau, mit grünlich-schimmerndem Hals, violett-glitzernder Brust – als ob sie sich extra fein gemacht hätten für Laura, als Magierinnen verkleidet vielleicht, irgendwie festlich: ein gutes Dutzend Stadttauben. Sie segeln dicht über den Köpfen der Menschen herunter, rascheln mit den Flügeln, landen zu Lauras Füßen. Sie picken, trinken, tänzeln, gurren.
Das, was Laura da macht, ist verboten. Die Stadt München will nicht, dass die Tauben sich weiter vermehren. Für Füttern droht eine Geldstrafe. Laura nimmt das in Kauf.
Laura, 14, findet: „Wir Menschen müssen helfen, wenn eine Taube verletzt ist. Denn wegen uns sind die ja da.“
Manchmal bleiben Leute stehen und schimpfen. Sie mögen die Tauben nicht. „Ratten der Lüfte“, sagen sie. Sie ekeln sich vor dem Kot. Sie glauben, dass die Vögel Krankheiten übertragen. Manche treten sogar nach ihnen.
Laura findet das unfair. Zwar haben die Tauben wirklich manchmal Parasiten wie andere Tier auch, aber auf den Menschen gehen die fast nie über. Und durch das Tierschutzgesetz sind sie genauso geschützt wie ein Hund oder eine Katze. Laura arbeitet bei der Taubenhilfe mit. Die setzt sich dafür ein, dass man die Tauben als Tiere sieht, die man nicht quälen darf, und denen man helfen muss, wenn sie krank sind. „Man hilft ja auch einem Eichhörnchen oder einem Igel.“ Auch ihre Eltern machen mit. Oft haben sie mehrere Tauben zu Hause. Manchmal ist das ganz schön teuer, wenn ein Tier geröntgt, ein Fuß bandagiert oder der Flügel geschient werden muss. Das bezahlen die Taubenretter selbst. „Man kann die Tauben doch nicht einfach qualvoll sterben lassen.“
Von selbst bekommen Tauben diese Fäden nicht weg. Laura fängt die Tiere mit einem Kescher ein und macht sie wieder trippelfertig.
Laura sagt, wir Menschen müssten uns um die Tauben kümmern. „Denn wegen uns sind sie ja da!“ Früher waren sie nämlich Haustiere. Sie wurden trainiert, konnten Nachrichten überbringen, kleine Zettelchen. Andere wurden als Nutztiere gehalten. Gern hat man ihr Fleisch gegessen, den Kot als Dünger genommen. Aber dann ist mal eine ausgebüxt, eine Hochzeitstaube nicht in ihren Verschlag zurückgekehrt, eine Brieftaube hat sich vielleicht mal verflogen – und schon gab es wilde Tauben, unsere heutigen Stadttauben.
In der Stadt sterben viele Jungvögel. Man schätzt, dass nur zwei Tauben aus zehn Eiern groß werden. Trotzdem werden es immer mehr. Eine Taubenmama legt immer zwei Eier, der Papa hilft beim Brüten. Dabei hat er einen genauen Zeitplan: Zwischen 9 und 14 Uhr ist er dran, dann übernimmt die Mama. Tauben bekommen bis zu zehn Kinder im Jahr. Und schon nach vier Monaten kann die kleine Kindertaube selbst wieder Kinder kriegen. Das alles ergibt: ganz schön viele Tauben.
Auch die Leute von der Taubenhilfe sehen das Problem. Sie wollen, dass weniger Tauben geboren werden. Daher tauschen sie Eier in den Nestern gegen Gipseier aus. Je mehr Taubenretter mitmachen, desto weniger neue Tauben soll es geben.
Auch die Taubenhilfe will, dass in Zukunft weniger Tauben geboren werden. Deswegen tauschen sie Eier in Nestern gegen Fakeeier aus Gips aus.
Laura muss weiter. In einer Ecke neben dem Spielzeugmuseum direkt am Marienplatz hat sie das letzte Mal eine Taube mit einem herunterhängenden Flügel gesehen. Sie will versuchen, sie heute einzufangen.
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