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re:publica war nicht ganz barrierefrei?

Ralph Raule und Julia Probst waren letzte Woche auf der re:publica, einer Konferenz rund um die digitale Gesellschaft. Sie wird seit 2007 jährlich in Berlin veranstaltet. An drei Tagen werden in Vorträgen und Workshops verschiedenste Themenfelder behandelt, von Medien und Kultur über Politik und Technik bis zu Entertainment.

Foto: Ralph Raule

Die re:publica’17 fand vom 8. bis zum 10. Mai 2017 in Berlin statt. Das diesjährige Motto lautete: Love out Loud! Es richtete den Fokus auf das menschliche Miteinander im Internet, vor allem in sozialen Netzwerken. Wir haben ein Gespräch mit beiden Aktivisten aus Hamburg geführt:

Ihr wart auf der re:publica. Wie war sie für euch?

Julia: Dieses Jahr war es auch wieder hochinteressant, aber die Organisation zur Barrierefreiheit hätte deutlich besser sein können. In diesem Punkt werde ich mich mit dem Veranstalter der re:publica nochmal detailliert austauschen.

Ralph: Im Prinzip ist die re:publica hochinteressant, wenn man sich für Politik interessiert und auch journalistisch tätig ist. Das Themen-Spektrum ist sehr breit aufgestellt. Die re:publica ist aber auch nicht barrierefrei. Es standen für Montag keine Gebärdensprach-Dolmetscher, dann für Dienstag und Mittwoch zwei Gebärdensprach-Dolmetscher zur Verfügung. Wenn ein Gehörloser loszieht, haben die anderen Gehörlosen schon Pech gehabt und man muss sich gemeinsam einigen, auf welche Veranstaltung man geht. Das ist schwierig bei teilweise 8-10 Parallel-Veranstaltungen. Weiterhin ist es oft schwierig, kurzfristig auch dann ganz vorne einen Platz zu bekommen. Und Untertitel habe ich nur einmal gesehen, aber auch englisch.

Würdet ihr tauben Menschen empfehlen, an der nächsten re:publica teilzunehmen?

Julia: Die re:publica ist Europas größte digitale Konferenz für Web 2.0, speziell Weblogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft. Dort werden auch die neuesten Trends vorgestellt: Virtual Reality, Augmented Reality. Auch wird dort über Datenschutz gesprochen sowie Big Data. Aber auch gesellschaftliche Themen, z.B. wie man Fake News erkennt oder das bedingungslose Grundeinkommen oder auch Barrierefreiheit. Wer solche Themen interessant findet, der ist auf jeden Fall gut aufgehoben bei der re:publica.

Sollten die Problem nächstes Jahr organisationstechnisch im Sinne der Gehörlosen erfüllt werden, so würde ich dann eine deutliche Empfehlung aussprechen für den Besuch der re:publica.

Ralph: Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Es sind sehr spezielle Themen und es ist auch ein hohes Niveau. Und wenn die Barrierefreiheit so ist, wie oben genannt, dann kann ich das kaum empfehlen.

Foto: Ralph Raule

Was war der Höhepunkt für euch?

Julia: Am besten gefiel mir Günther Duck mit seinem Vortrag über das Problem der Aufmerksamkeit der Menschen im Internet. Das Problem ist, dass das Internet nur zwei Extreme zulässt: Entweder wird man wahrgenommen oder nicht. Daraus folgt laut Dueck die Logik, dass die Verrohung von Worten und Sprache auch auf dem ständigen Kampf um Aufmerksamkeit basiere. “Aufmerksamkeit ist die neue Währung”, so Dueck.

Das fand ich super, wie er das vorgetragen hat, denn Dueck hat eine sehr amerikanische Art des Vortragens. Er läuft hin und her, ist selbstironisch und hält das Publikum bei der Stange. Man fühlt sich hier deutlich an die Ted-Talks erinnert von der Qualität her.

Dann fand ich noch Elisabeth Wehling interessant, die in ihrem Vortrag erklärt hat, wie Politiker versuchen über die Sprache dich auf ihre Seite zu ziehen. Erklärt hat sie das am Beispiel von Trump. Unser Hirn verknüpft bestimmten Wörtern bestimmte Emotionen und das hat Trump perfekt eingesetzt.

Und auch der Vortrag von Kattascha Nocun über den Quellcode der AFD hat mir sehr gut gefallen – sie hat alle Wahlprogramme der AFD übersetzt und aufbereitet, so dass man genau versteht, wie die AFD tickt und was sie wirklich will. Meine Meinung ist, dass alle AFD-Wähler/innen diesen Vortrag gesehen haben sollten, um zu verstehen, warum man die menschenfeindliche, rassistische und saudoofe Partei namens AFD NICHT wählen sollte.

Ralph: Mir gefielen am Besten die Diskussionen mit Andrea Nahles von der SPD zum Thema Grundeinkommen und Lothar De Maziere von der CDU zum Thema Datenschutz. Es war ganz voll, wir Gehörlose hatten aber vorne Platz und man konnte richtig gut sehen, wie die Politiker agieren und reagieren. Ich bin zwar mit vielem, was und wie sie es sagen nicht einverstanden, aber es war sehr interessant, wie sie argumentieren. So etwas live zu sehen, das ist total spannend und tausend Mal besser als Fernsehen.

Tags: Barrierefreiheit, Berlin, Julia Probst, Ralph Raule, re:publica

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