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Bewährungsstrafe in Betrügerei unter Gehörlosen

Ein gehörloser Mann aus Ostholstein wurde wegen Betrugs von einem Gericht in Oldenburg zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Bekannt sind zurzeit zwölf Geschädigte, die auch selber gehörlos sind. Der Angeklagte hat diese Personen seit 2017 um 53.000 Euro betrogen, wie verschiedene Lokalzeitungen bereits im Vorfeld berichteten. Die Betroffenen kommen aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen, aber auch Fälle aus Nordrhein-Westfalen und Bayern sind bekannt. Das berichteten die Lübecker Nachrichten am 3. Januar 2024.

Wieso es zum schriftlichen Verfahren kam

In einem schriftlichen Strafverfahren ist er zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Das heißt, wenn er in diesem einen Jahr nicht wieder straffällig wird, muss er nicht ins Gefängnis. Der Verurteilte wurde angeklagt, zwölf Gehörlose mindestens 78 Mal um Geld betrogen zu haben. Als der Prozess im November 2023 begann, erschien der Angeklagte nicht, woraufhin die Staatsanwaltschaft und Verteidiger beantragten, das Verfahren schriftlich durchzuführen. Neben der Bewährungsstrafe muss der Betrüger außerdem die 53.000 Euro, um die es in dem Verfahren ging, zurückzahlen. 

Frust in der Community über die lasche Strafe

Auch wenn Anwalt und Staatsanwaltschaft den Lübecker Nachrichten gegenüber zufrieden sind mit dem Ergebnis, stößt das Verfahren bei den gehörlosen Opfern und dem hörenden Vertreter des Weißen Rings, einer Opferschutzorganisation, auf Unverständnis. Detlef Lorenzen, einer der Nebenkläger, bezeichnete das Urteil den Lübecker Nachrichten zufolge als „Schlag ins Gesicht“. In der Gehörlosen-Community wird spekuliert, dass die Verhandlung schriftlich war, damit das Gericht keine Verdolmetschung organisieren und bezahlen muss. Der Anwalt der Nebenkläger sagt, dass eine härtere Strafe durch die Art des Verfahrens nicht möglich sei: Hier ist ein Maximum von einem Jahr auf Bewährung vorgesehen. 

“Als Betreuer in diesem besonderen Opferfall hätte ich mir gewünscht, dass das Amtsgericht die polizeiliche Vorführung des Angeklagten verfügt hätte“, so Holger Dabelstein vom Weißen Ring Ostholstein gegenüber den Lübecker Nachrichten.

Wie lief der Betrug ab? Davor sollte man sich in Acht nehmen:

Wie genau betrog der Mann aber seine Opfer? Die Vorgehensweise war immer die Gleiche: Er bat die Opfer darum, ihm Geld zu leihen und zahlte es dann nicht wieder zurück. Außerdem sollten die Opfer davon niemand anderem erzählen. Auch dadurch blieb es lange ein Geheimnis. Erst viel später erfuhren die Geschädigten davon, dass es mehrere Fälle gibt und alle auf den gleichen Betrüger zurückzuführen sind. Sie suchten sich daraufhin Hilfe beim Weißen Ring, einer Opferschutzorganisation. 

Unbürokratische Hilfe des Weißen Rings

Cortina Bittner, Vorsitzende des Gehörlosenverbands Schleswig-Holstein, lobte gegenüber der Deutschen Gehörlosenzeitung (DGZ) die unbürokratische Hilfe des Weißen Rings, der die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und auch die Kosten für Dolmetschende für die Vorarbeit übernommen hat. So konnte der Prozess und die Verurteilung überhaupt erst ins Rollen kommen.

Betrug mit Vorgeschichte und Nachhall

Der Betrüger sei im Vorstand eines Mitgliedsvereins des Gehörlosenverbandes gewesen und hätte außerdem als Betreuer gearbeitet, so Bittner gegenüber der DGZ. Der betroffene Verein wurde inzwischen zwangsaufgelöst. „Leider existiert dadurch keine Interessenvertretung mehr für taube Menschen in dieser Region.” Der Betrüger soll Zeitungsberichten zufolge allerdings auch selbst Opfer gewesen sein. Er habe Emails bekommen, in denen stand, dass er eine große Summe geerbt hätte. Doch um diese Summe ausgezahlt zu bekommen, müsse er selbst einen Teil der Überweisungskosten übernehmen – als Vorschuss. Doch das Geld wurde dann nie überwiesen, stattdessen wurden neue „Gebühren“ fällig. Dies ist eine unter Hörenden bereits bekannte Betrugsmasche und offenbar der Auslöser dafür, dass der Betrogene nun selbst von anderen Geld erschlichen hat.