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“Ursberger Gebärden” in der Kritik – Schule antwortet

Die Veröffentlichung einer “Gebärdensprach”-App ist auf heftige Kritik gestoßen. Anlass war die Veröffentlichung der “Ursberger Gebärden-App” des Dominikus-Ringeisen-Werks, einer kirchlichen Stiftung aus Ursberg. In dem Blogposting vom 26. November 2023 wird berichtet, dass Ehrenamtliche über zwei Jahre lang die Handbewegungen auf Video aufzeichnungen, welche auf dem “Gebärdenbuch” der “Ursberger Gebärden” des Förderzentrums basieren.

„Die App ist auf Wunsch vieler Eltern unserer Schüler mit Kommunikationsproblemen entstanden“, so die Schulleiterin der Franz von Sales-Schule, in der die App entwickelt wurde, in der ursprünglichen Veröffentlichung. Als Pluspunkt nennt die Schule, dass die „Ursberger Gebärden“ besonders leicht zu erlernen seien. Einsatzfeld sollen die “Förderschwerpunkte geistige Entwicklung” sein. Im Förderzentrum werden auch Kinder mit auditiver Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung. Unter den Kindern sind auch “nicht sprechende” Autist*innen. 

Sofortige Kritik in den Instagram-Kommentaren

Als die App am 29. November auf Instagram angekündigt wurde, gab es umgehend Kritik von gehörlosen Menschen. Susanne Kermer, gehörlos, Deaf Performerin und Deaf Supervisorin sowie Mutter eines Kindes mit frühkindlichem Autismus wundert sich. “Warum nicht die Deutsche Gebärdensprache nutzen?” Sie berichtet davon, wie sie diese mit ihrem autistischen Sohn problemlos einsetzt. “Wenn die Deutsche Gebärdensprache gelehrt und erlernt wird, können Menschen mit besonderen Bedürfnissen auch Anschluss zu Gehörlosen Menschen finden, da die Sprache von allen verstanden wird.” Dem schließt sich Ines Eckerle, ebenfalls gehörlos, an und berichtet von einem gehörlosen Autisten in Ursberg, der ebenfalls gehörlose Eltern hätte. Das Kind würde zwar an der Schule die dort verwendeten “Ursberger Gebärden” einsetzen, aber zuhause die Deutsche Gebärdensprache.

„Offener Brief“ vom Fachverband

Der „Berufsverband der Dozenten für Gebärdensprache“ e. V. veröffentlichte am 2. Dezember einen “Offenen Brief”. In dem Schreiben protestiert der Verband gegen die Veröffentlichung der „Ursberger Gebärden“-App. “Wir bezweifeln stark, dass die Lehrkräfte, welche an der Entwicklung dieser App arbeiten, eine Gebärdensprachkompetenz besitzen.” Weiterhin seien, so der Verband, während des Projekts keine gehörlosen Dozierenden eingebunden gewesen. “Eine Verwendung von lautsprachunterstützenden oder -begleitenden Gebärden bedeutet für uns Taube Personen immer eine Anpassung an die Hörenden, wie sie schon immer stattfand und unter welcher wir sehr leiden.” Grundsätzlich begrüßt es der Verband, wenn Hörende gebärden können, jedoch sei eine Zusammenarbeit mit der Gehörlosengemeinschaft unabdingbar. Der “Offene Brief” ist auch in DGS verfügbar.

Schule reagiert mit FAQ – lässt Kernthema aber offen

Die Franz von Sales-Schule antwortete mit einem umfangreichen und transparenten FAQ, das die Kritikpunkte größtenteils aufgriff. Zunächst wird klargestellt, dass der verwendete Begriff “Ursberger Gebärden-Sprache” falsch sei, darüber hinaus würde an der Franz von Sales-Schule die DGS sehr wohl eingesetzt. Die “Ursberger Gebärden” seien eine Form der “Unterstützten Kommunikation”, wie es die Lautsprachbegleitenden Gebärden sind. Die App sei auf Wunsch von Eltern und Begleitpersonen der Schüler*innen der Schule entstanden. An der Schule würde auch, wo es möglich ist, die DGS eingesetzt. Auch seien etwa 30% der insgesamt über 3.000 Gebärden der “Ursberger Gebärden” bereits DGS-Gebärden. Es sollen mehr werden. 

Ob bei dem Projekt gehörlose Expert*innen zum Einsatz kamen, ist nicht ersichtlich. In dem Blogposting des Dominikus-Ringeisen-Werks werden drei Lehrerinnen der Schule als “Gebärdendolmetscherinnen” genannt (hier ein Text dazu auf nicht-stumm.de, der die Problematik hinter dem Begriff erläutert), die demzufolge die Darstellerinnen in den Videos sind. Auch im FAQ wird auf den Kritikpunkt der fehlenden Einbindung gehörloser Expert*innen nicht eingegangen. 



Tags: Autismus, Bildung, Deutsche Gebärdensprache, DGS, Gebärdensprache, Inklusion, Kinder, Kulturelle Aneignung

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • DGS ist seit 2002 ist gesetzlich anerkannt. Dafür haben Gehörlose lange gekämpft.
    20 Jahre danach kommt eine Institution auf die Idee, eigene Apps zu entwickeln. Wenn diese App grossen Anklang findet, besteht die Gefahr, unsere Sprache zu verwässern. Es ist schlicht nicht zu verstehen, warum diese Institution nicht auf die DGS-App zugreift

    Antworten

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