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cbm: „Wenn ein Kind gehörlos geboren wird, dann merkt das keiner“

Die Christoffel-Blindenmission (CBM) macht zur diesjährigen „Internationalen Woche der Gehörlosen“ (19.-25. September) auf die Situation von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen aufmerksam. Weltweit haben laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 400 Millionen Menschen eine Hörbehinderung. 34 Millionen von ihnen sind Kinder. Die meisten von ihnen leben in den weltweit ärmsten Regionen. Ein Schulbesuch ist für sie in der Regel kaum möglich. Mit verheerenden Folgen: Denn hörbehinderte Kinder sind oft ausgegrenzt. Das erlebt auch die Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. Uta Fröschl immer wieder. Sie ist für die CBM in Äthiopien tätig.

Die Christoffel-Blindenmission (CBM) zählt zu den international führenden Organisationen für inklusive Entwicklungszusammenarbeit. Sie unterstützt Menschen mit Behinderungen in den ärmsten Ländern der Welt – und das seit mehr als 110 Jahren. Gemeinsam mit ihren lokalen Partnern sorgt sie dafür, dass sich das Leben von Menschen mit Behinderungen grundlegend und dauerhaft verbessert. Sie leistet medizinische Hilfe und setzt sich für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ein. Ziel ist eine inklusive Welt, in der Menschen mit und ohne Behinderungen ihre Fähigkeiten einbringen können und niemand zurückgelassen wird. Im vergangenen Jahr förderte die CBM 492 Projekte in 46 Ländern.

„Wenn ein Kind gehörlos geboren wird, dann merkt es keiner“

Dr. Uta Fröschl weiß, was es bedeutet, in Äthiopien eine Hörbehinderung zu haben: „In Deutschland gibt es ein Neugeborenen-Screening, das heißt, jedes Kind wird in der Regel direkt nach der Entbindung im Krankenhaus oder relativ kurz danach untersucht. In Äthiopien ist es so: Wenn ein Kind gehörlos geboren wird, dann merkt es keiner“, so Dr. Fröschl. „Manchmal kommen die Kinder auch erst mit 5 oder 8 Jahren. Und dann ist im Grunde wahnsinnig viel verloren.“

Kaum Schulen für Gehörlose

Entsprechend schlecht sind die Perspektiven dieser Kinder. Anders als in Deutschland gibt es in Äthiopien kaum Möglichkeiten, sie zu fördern. Schulen für Gehörlose und Kinder, die schwerhörig sind, sind ausgesprochen rar. „Die Eltern müssen zusehen, dass sie irgendwie die Chance bekommen, ihre Kinder in einer solchen Schule unterzubringen. Und wenn nicht, haben die Kinder eben Pech. Dann bleiben sie zu Hause“, sagt Dr. Fröschl. In vielen Fällen aber hilft bei Hörproblemen ein Hörgerät oder eben eine Operation. In Äthiopien gibt es jedoch nur ganz wenige Ärztinnen und Ärzte, die Ohren operieren können. Deshalb gehört es zu den Hauptaufgaben von Dr. Fröschl, junge HNO-Ärzte für Ohren-Operationen auszubilden.

Mit Ausbildung von Fachärzten Hörbehinderungen vermeiden

Als sie vor vier Jahren ins Land kam, gab es nur drei HNO-Ärzte, die Ohren operieren konnten. Inzwischen hat Dr. Fröschl acht weitere Operateure ausgebildet. Sie weiß, wie wichtig Ausbildung ist, um Gesundheitssysteme wie das in Äthiopien nachhaltig zu verbessern. Denn ausschließlich Fachärzte können verhindern, dass Menschen unnötig, etwa infolge einer Mittelohrentzündung, ihr Hörvermögen verlieren.

In Deutschland wäre sie eine von vielen

Eine bessere medizinische Versorgung hätte auch Hana einen langen Leidensweg erspart. Bevor das Mädchen von Dr. Fröschl operiert wurde, litt es jahrelang an einer schweren Knocheninfektion im Ohr. Hana hörte kaum mehr etwas. Sie fühlte sich einsam und ausgeschlossen: „Hana hat zum Beispiel vorher erzählt, dass sie oft in der Schule gehänselt wurde, weil sie einfach den Lehrer nicht verstand“, berichtet Dr. Fröschl. Inzwischen ist Hana 18 Jahre alt und geht in die 11. Klasse. „Und wenn sie jetzt in der Schule besser hören kann, dann macht das so einen Unterschied für ihr gesamtes Leben“, freut sich Dr. Fröschl. Genau das ist auch der Grund dafür, weshalb sie ihren Job als Ärztin so gerne in einem Land wie Äthiopien macht: „Hier in Deutschland wäre ich eine von vielen“, so Dr. Fröschl. „Und wenn ich nicht da bin: Gut, da kann das jeder andere auch machen. Aber in Äthiopien gab es halt vor mir noch niemanden, der kontinuierlich Ohren-Ausbildung durchgeführt hat, und das macht einfach wahnsinnig viel Spaß und gibt sehr viel Erfüllung.“

Tags: CBM, Christoffel-Blindenmission (CBM), Entwicklungszusammenarbeit, Hörbehinderung, Medizin, Weltgesundheitsorganisation, WHO

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