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Historisch: Hamburg bittet Gehörlose um Entschuldigung 

In einem gemeinsamen Antrag haben die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft ein deutliches Zeichen gesetzt: Das jahrzehntelange oralistische Unrecht, das gehörlosen Menschen auch in Hamburger Bildungseinrichtungen angetan wurde, soll endlich wissenschaftlich aufgearbeitet, anerkannt und entschädigt werden. Der Antrag sieht unter anderem die Einrichtung eines Entschädigungsfonds auf Bundesebene, die Erleichterung beim Zugang zu Hilfsleistungen sowie eine wissenschaftliche Aufarbeitung unter Einbeziehung der „Deaf Studies“ vor.

Die Hamburgische Bürgerschaft bittet die betroffenen gehörlosen Menschen um Verzeihung. 

(Regina Jäck, Sprecherin für Menschen mit Behinderung, SPD-Fraktion)

Ein bedeutender Schritt – nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich. Denn die Gewalt, mit der Gehörlosen über Jahrzehnte das Nutzen der Gebärdensprache verboten wurde, hinterließ tiefe Spuren. „Die Spuren dieses Unrechts ziehen sich durchs ganze Leben“, sagte Kathrin Warnecke (Grüne). Noch bis in die 1990er-Jahre mussten Betroffene in Hamburger Schulen auf Gebärden verzichten – oft unter Zwang zur Lautsprache, was vielen Bildung und Teilhabe unmöglich machte.

Dass es nun zu einer so breiten politischen Anerkennung kommt, ist nicht zuletzt dem Einsatz von Christian Ebmeyer vom Deutschen Gehörlosen-Bund zu verdanken. Seit Jahren kämpft Ebmeyer als Beauftragter für die Belange der Opfer von Organismus und Sprachentzug unermüdlich für die Aufarbeitung und Anerkennung des Leids gehörloser Menschen. Er war maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung der öffentlichkeitswirksamen Anhörung im Sozialausschuss beteiligt, bei der Betroffene ihre Erfahrungen schilderten – simultan verdolmetscht zwischen Deutscher Gebärdensprache und Lautsprache, ein Novum in der Geschichte der Hamburgischen Bürgerschaft.

Auch Regina Jäck (SPD) betonte: „Sprache bedeutet Identität, auch Chancen auf eine gute Bildung. Den Betroffenen ist dies auf grausame Art verwehrt worden.“ Der Antrag sei ein „wichtiger und notwendiger Schritt für die Anerkennung von Leid und Diskriminierung“.

Andreas Grutzeck (CDU) sprach von einer „Pflicht, dieses Unrecht anzuerkennen und Konsequenzen zu ziehen“. Und Thomas Meyer (Linke) unterstrich, dass der Antrag „kein Schlusspunkt, sondern der nächste Schritt“ sei.

Die rechtsextreme AfD stimmte nicht für den Antrag.

Die Entscheidung der Hamburgischen Bürgerschaft ist mehr als Symbolpolitik – sie ist ein deutliches Signal, dass das jahrzehntelange Schweigen gebrochen wird. Und ein Meilenstein für eine Gesellschaft, die Gehörlosen endlich auf Augenhöhe begegnet. Die Initiative von Christian Ebmeyer hat damit nicht nur politisch Wirkung gezeigt, sondern auch Hoffnung auf echte Teilhabe geschaffen.

Bild: Hamburgische Bürgerschaft

Tags: Christian Ebmeyer, Deutscher Gehörlosen-Bund, Entschädigung, Hamburger Senat, Oralismus, Sprachentzug

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