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Eltern in Sachsen fordern Schulfach DGS

Anlässlich des ersten UNESCO-Welttages der Bildung am 24. Januar 2021 schreiben Eltern hörbehinderter Kinder des Vereins VisuKids e.V. einen offenen Brief an ihre sächsische Landesregierung. In Sachsen gibt es bis heute keinen Lehrplan für das Fach Deutsche Gebärdensprache und auch das Schulfach gibt es weder an Spezialschulen noch an Regelschulen.

„In einer modernen Bildungslandschaft, und noch dazu in einer inklusiven, gehört das Schulfach Deutsche Gebärdensprache einfach dazu. Es ist nicht mehr zeitgemäß diese deutsche Minderheitensprache als unschönes Hilfsmittel abzutun.“, so Magdalena Stenzel, Vorsitzende der Elternvereinigung VisuKids e.V.

„Wie jede andere Fremdsprache hat die Deutsche Gebärdensprache eine anspruchsvolle Linguistik, die zukünftig auf qualitativ hohem Niveau unterrichtet werden muss“, so Heide Kühne, Gehörlosen- und Sonderpädagogin in Sachsen.

Laut Elternbrief wäre Gebärdensprache als Pflichtfach und Wahlpflichtfach ein Meilenstein für eine inklusivere Gesellschaft. Dieses Fach bietet darüber hinaus vielfach kognitiven Nutzen. DGS fördert das visuell-räumliche Denken bei allen Lernenden. Das Fach soll Schülern mit Hörbehinderung zum Nutzen sein, aber auch durch jede interessierte Schule angeboten werden können. Damit, so die Eltern des VisuKids e.V., verbessert das Fach DGS auch die zukünftige Fachkräftelandschaft.

Im vergangenen Jahr war öffentlich geworden, dass gehörlose Schüler in Förderschulen nicht in Gebärdensprache unterrichtet werden und daraus massive Lernschwierigkeiten entstanden sind. Nach Klagen, öffentlicher Aufmerksamkeit und Gesprächen mit Ministerpräsident Kretschmer, Kultusminister Piwarz, Sozialministerin Köpping und dem Beauftragten für Menschen mit Behinderung Pöhler konnten die Eltern erwirken, dass nun punktuell Gebärdensprache im Unterricht zum Einsatz kommt.

Bereits seit 2016 spricht sich das Europäische Parlament dafür aus, dass die nationalen
Gebärdensprachen in den Fächerkanon der Mitgliedsstaaten aufgenommen werden und wie andere Fremdsprachen unterrichtet werden sollen.

Laut Elternbrief sind das Schulfach Deutsche Gebärdensprache und ein zugehöriger Lehrplan kein Novum in Deutschland. Bundesländer wie Berlin, Hamburg oder Sachsen-Anhalt halten dies bereits vor.

Tags: Bildung, Deutsche Gebärdensprache, DGS, Sachsen, Schulbildung, Unterrichtsfach, VisuKids e.V., Wahlfach, Wahlpflichtfach

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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Jens Thole
    2. März 2021 16:42

    Ich glaube kaum, daß damit irgendjemandem geholfen ist. Welchen ökonomischen Nutzen habe ich durch das Erlernen dieser Technik im Durchschnitt? Allenfalls Spezialisten und Menschen im direkten Miteinander mit Gehörlosen könnten einen positiven Effekt daraus vermerken. Wir sollten nicht vergessen, daß es sich um eine kleine Minderheit handelt, die für die Mehrheit im Schnitt ohne jede Bedeutung ist.
    Aus Sicht von Gehörlosen mag sich dies irgendwie unangenehm darstellen – nur eben: sie sind eine Minderheit. Und nirgendwo steht geschrieben, daß das Leben ein Zuckerschlecken sei oder gar zu sein hat!
    An öffentlichen Schulen sollte gelehrt werden, was einer Generation als Ganzem hilft und nicht Details und Randthemen.
    Wir nehmen so begründet weder Kisuaheli noch das Musizieren mit Alphörnern in den Bildungskanon auf. Auch auf das Imitieren von Vogellauten und das Erlernen der Blindenschrift verzichten wir aus gutem Grunde. Bevor solche Exotenfächer gelehrt werden, sollten wir eher relevante Lehrinhalte wie Programmiersprachen in den Kanon aufnehmen.

    So etwas sollten auch die Gehörlosen begreifen. Aber im Fordern ist heute eben besonders jede irrelevante Kleingruppe groß. Allein, daß so ein Blödsinn abgedruckt wird, hätte noch vor 50 Jahren (also in der Zeit als noch Ratio und Abwägung regierte) lediglich Kopfschütteln hervorgerrufen.

    Und allein „Inklusion“ als neues Bullshit-Weasel-Word um ein positives, emotional aufgeladenes Framing zu erzeugen – Leute, wie ihr mich anödet. Die Behinderung hat Euch nicht die Mehrheit angetan sondern die Natur. Wenn Ihr Euch benachteiligt fühlt, dann wendet Euch an den Verursacher – also an Gott oder die Natur oder von mir aus an Eure Eltern und verdrescht die – aber nicht an die nunmal normal hörende Mehrheit, die dafür nun wirklich nichts kann und geht dieser nicht mit Euren Befindlichkeiten auf den Zeiger!

    Ich für meinen Teil werde weder befürworten, DGS zu lernen, damit es irgendwelche Gehörlosen emotional nicht so unangenehm aufstößt, gehörlos zu sein noch den Krückengang erlernen, damit Beinamputierte es nicht so blöd finden, sich nur mit solchen Hilfsmitteln bewegen zu können.

    Oder um mal christlich zu argumentieren: Bedenkt, daß ihr nur Staub seid!

    Antworten
    • Benedikt Sequeira Gerardo
      2. März 2021 17:36

      „Dummerweise“ besteht diese irrelevante Kleingruppe aus mindestens 10 Millionen Menschen (https://www.schwerhoerigen-netz.de/statistiken/?L=0) in Deutschland. Ca. 20% aller Menschen in Deutschland ist hörbehindert. Doch sind sie für außenstehende Personen wie Sie (?) kaum sichtbar, denn sie versuchen, sich an hörenden Mitmenschen anzupassen. Die meisten verdrängen eigene Hörbehinderung. Gebärdensprache lernen die meisten Hörbehinderten selbst nicht, auch wenn sie aufgrund eigener Hörbehinderung stark davon profitieren würden. Meine Nachbarin ist sehr alt und inzwischen hörbehindert. Sie lebt inzwischen immer zurückgezogener. Das führt schnell zur Isolation. Ich kann mir vorstellen, dass es für sie einfacherer wäre, wenn sie selbst und auch viele Menschen die Grundkenntnisse von der Deutschen Gebärdensprache hätten.

      Es gibt noch weitere Vorteile für Hörende, die DGS zu erlernen. Ich weiß nicht, ob Sie ernsthaft daran interessiert sind.

      Antworten
  • Jens Thole
    3. März 2021 10:54

    Aus Wikipedia: „Gehörlosigkeit bezeichnet das vollständige oder weitgehende Fehlen der Hörfähigkeit bei Menschen. Laut dem Deutschen Gehörlosenbund sind etwa 0,1 % der Bevölkerung in Industrienationen von Gehörlosigkeit betroffen. “

    Das sind also nicht 10 Mio sondern in D lediglich ca 80.000 Menschen – also die von mir eben beschriebene Kleinstgruppe. Und nur für diese ist DGS relevant. Für sonstig Hörbehinderte lässt sich technisch in mehr oder weniger begrenztem Ausmaß anderweitig Abhilfe schaffen. Ich gehe davon aus, daß die Anzahl technisch unrettbarer Gehörloser durch Weiterentwicklung immer weiter sinkt – mithin, daß eine jetzt schon irrelevante Gruppe auch noch schrumpft.

    Daß ihre Nachbarin unter ihrem Leiden leidet, ist möglich – sogar wahrscheinlich und entspricht der Definition des Substantivs „Leiden“. Folgerichtig gilt das für jeden Leidenden. Das direkte Umfeld der Leidenden sollte also ebenso folgerichtig im Rahmen gelebter Nächstenliebe das Leiden zu lindern trachten. Mich allerdings geht ihre Nachbarin nichts an. Sie kann mir getrost egal sein. Ich kenne sie nicht einmal. Mich geht mein krebskranker Nachbar etwas an. Der leidet übrigens auch – allerdings an seinem Leiden. Und der wiederum geht Sie nichts an.

    Das Leiden gehört im Übrigen genuin zum Leben und kann – ja wird sogar ziemlich sicher – jeden irgendwann im Leben treffen. Leiden ist grundsätzlich individuell zu tragen. Die gute Nachricht hier: spätestens der Tod wird jeden Leidenden von seinem Leiden befreien. Eine Ethik der Mitmenschlichkeit erlaubt allerdings auch das ebenso individuelle Mitleid.

    Es gibt aber nun kein Mitleid einer Masse und es gibt auch kein Leid einer Masse. Massen leiden nicht sondern weisen lediglich statistische Kenngrößen auf. Nur ein einzelner Mensch leidet. Und der Gehörlose leidet im Schnitt nicht mehr als ein Krebskranker.
    Ein konkret herausgegriffener Gehörloser leidet nun aber widerum nach individueller Prägung, Weinerlichkeit und Eigeninterpretation entweder extrem stark oder auch gar nicht unter seinem Zustand.

    Merke: Es gibt kein objektives Leid. Alles Leid ist subjektiv.

    Dies gilt auch für den einzelnen Krebskranken, bei dem aber zumindest der Schmerz im Gegensatz zum Gehörlosen als objektiv messbarer Fakt nachvollziehbareren – jedoch immer noch subjektiven Leidenscharakter trägt.

    Zu Ihrem Satz: „Gebärdensprache lernen die meisten Hörbehinderten selbst nicht, auch wenn sie aufgrund eigener Hörbehinderung stark davon profitieren würden.“

    Danach sehen selbst Hörbehinderte in hohem Maße keinen Sinn im Erlernen der DGS. Wie kommen Sie darauf, daß diese davon stark profitieren würden. Jedes autonome Hoheit tragende Wesen kann ausschließlich allein für sich definieren, was das Beste für sein Leben ist. Niemand kann sich anmaßen für andere zu entscheiden, was gut für sie sei.
    Wenn – wie Sie schreiben (was ich allerdings bezweifle – Quelle?) – „die Meisten“ Gehörlosen sich gegen das Erlernen von DGS entscheiden, muss DGS ein ziemlicher Schmarren sein und sich der Nutzen mindestens nicht von selbst erklären.
    Und warum sollte nun ich oder meine Kinder einen Schmarren lernen, den nicht mal Gehörlose erlernen wollen?
    Das ist natürlich Polemik – ich gehe natürlich davon aus, daß in Wahrheit die meisten echten Gehörlosen doch DGS erlernen.

    Zu Ihrem Satz „Es gibt noch weitere Vorteile für Hörende, die DGS zu erlernen. Ich weiß nicht, ob Sie ernsthaft daran interessiert sind.“

    Hier muss ich zugeben, nein, ich bin nicht interessiert. Ich kann mir den Vorteil denken, wenn ich mich beruflich in den weichen und gesellschaftliche Kosten erzeugenden Sektor begeben wollte und mit Gebärdendolmetscherei mein Brot zu verdienen trachtete. 99% dieser Leute würden ohne staatliche Umverteilung auf dem freien Markt keine Nachfrage finden und folglich verhungern.

    Doch ich bin im harten Sektior unterwegs, dort wo eben die Werte erwirtschaftet werden, die dann andere so leichtfertig rauben und an Dritte umverteilen. Nein es gibt keinen Vorteil für einen Hörenden, DGS zu erlernen, wenn man alle Künstlichkeit dieser Gesellschaft abblättert.
    Ein Vorteil beschränkt sich auf die winzige Gruppe Hörender, die direkt mit Gehörlosen zusammenleben, also Ehepartner und Kinder. Diese wiederum haben entweder eine intrinsische Motivation, DGS zu erlernen und benötigen dazu kein Schulfach oder sie haben sie eben nicht und lassen ihre gehörlosen Angehörigen im Stich.

    Niemand ist verpflichtet, nett zu sein – jedenfalls kenne ich dazu kein Gesetz – und ich würde ein solches auch vehement bekämpfen.

    Antworten
    • Benedikt Sequeira Gerardo
      10. März 2021 13:21

      Die Weltgesundheitsorganisation spricht inzwischen davon, dass 1,5 Milliarden Menschen hörbehindert (https://www.taubenschlag.de/2021/03/who-15-mrd-menschen-hoerbehindert/) sind. Die Hörbehinderung ist nun mal kein Randthema. Ob und wann hörbehinderte und hörende Menschen die Gebärdensprachen erlernen, hängt von vielen Faktoren ab. Es ist nun mal so, dass viele Menschen ableistisch sind. Medizinisches und pädagogisches Personal ratet gerne davon ab, die Gebärdensprachen zu erlernen, auch wenn viele wissenschaftliche Studien anders aussagen. Das verinnerlichen sehr viele hörbehinderte Menschen.

      Ich bin eben mit verschiedenen hörbehinderten Menschen aufgewachsen, auch mit denen, die die Gebärdensprache ablehnen und sie gar nicht erlernen. Ich kann schon sehen, wie sie sich allgemein entwickeln.

      Antworten
  • Schlichtweg ein brillanter Kopf mit leicht zynischer Hirnrinde. Den Mann muss man bedenkenlos bei Laune halten, anders ist keine Ergiebigkeit zu haben.Gebt ihm beliebige Themen und vergesst das Bauchpinseln nicht, das ist schließlich ein Fleißarbeiter, die man nicht an jeder Straßenecke trifft…

    Antworten

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