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Eingesargt! Alangu scheitert krachend bei Die Höhle der Löwen

Am 20. Oktober hat die Avatar-Firma Alangu versucht, der Jury von der Vox-Sendung Die Höhle der Löwen (DHDL) ihren Avatar-Baukasten zu verkaufen. Vorgestellt wurde das Konzept von CEO und Co-Gründer Alexander Stricker sowie der Mitarbeiterin Christina Schäfer. Stricker ist hörend, Schäfer taub.

Der Pitch war ein Reinfall. Wie kam das?

Für 900.000 Euro wollten sie der Investierenden-Jury von DHDL einen Zehn-Prozent-Anteil am Umsatz verkaufen. Gleich zu Beginn erwischt Investorin Janna Ensthaler den Inhaber Stricker eiskalt mit der Frage, wie man „Hallo du“ gebärdet – er gibt es weiter an seine Mitarbeitern Christina Schäfer, zeigt selber keine Gebärden. Angeblich würde er aber jeden Tag „15 Minuten“ üben, heißt es an anderer Stelle.

Auch die rein mathematisch sinnfreie Behauptung, es gäbe 80.000 Gehörlose in Deutschland und 230.000 Menschen, die Gebärdensprache benötigen, bringt die Jury ins Stutzen. Investor Carsten Maschmeyer fragt zu Recht nach: Warum benötigen die 150.000 Gebärdensprache? Schäfer behauptet dann, dass diese spätertaubt seien oder schwerhörig.

Taubenschlag-Faktencheck: Völliger Quatsch! Es gibt ungefähr 50.000 Menschen, die im Behindertenausweis das Merkzeichen GL haben – das betrifft auch Spätertaubte. Die Zahl von 80.000 kommt dadurch zustande, dass die WHO generell schätzt, dass 0,1% aller Menschen gehörlos sind. Das passt zu den 50.000 – denn nicht alle Gehörlosen haben zwangsläufig einen Behindertenausweis. Die Zahl der 200-250.000, die seit einiger Zeit kursiert, benennt jedoch diejenigen, die Gebärdensprache sprechen in Deutschland. Dazu gehören dann auch HÖRENDE Angehörige, HÖRENDE Dolmetschende, HÖRENDE Pädagog*innen.

Das Genick bricht Alangu dann aber vermutlich vor allem die entwaffnende Frage von Carsten Maschmeyer, wem die Gebärdensprach-Avatar-Firma überhaupt gehört. Stricker besitzt 45% der Anteile, sagt er, neben ihm gibt es noch drei weitere Gesellschafter, die aber nicht da sind. Derweil fragt Maschmeyer, was Schäfer in der Firma denn machen würde. Schäfer hatte zuvor den Großteil der Informationen gebärdet und das Projekt vorgestellt, dient im Promo-Video auch als Grundlage für das Motion Capture.

Sie rattert gegenüber der DHDL-Jury herunter: Teamleitung, Personalmanagement, Einstellungen, Gebärdensprachunterricht fürs Team, Motion Capture und dann noch „so kleine Nebentätigkeiten“.

Und dann Maschmeyer: „Wie viele Anteile hast du an dem Unternehmen?“

Und Stricker: „Christina ist nicht dabei.“

Man kann vom Kapitalismus halten, was man will, aber wie Maschmeyer den hörenden Gründer ins Messer laufen lässt, ist großes Fernsehen. Wie viele Geschichten gibt, es, wo Hörende eine Geschäftsidee umsetzen und dabei die Expertise und Lebenserfahrung und Sprache von Gehörlosen zu barem Geld machen, ohne diesen nachhaltig etwas davon zurückzuzahlen? Dafür gibt es sogar den Fachbegriff Tokenismus. Das heißt so viel wie: Eine marginalisierte Person als Aushängeschild nutzen, aber diese nicht angemessen zu entschädigen oder an Prozessen zu beteiligen. Schäfer scheint zwar eine große inhaltliche Beteiligung zu haben, aber ihr Status wird dem absolut nicht gerecht.

Stricker erzählt dann etwas von einer geplanten Mitarbeiterbeteiligung, aber man kann das Vertrauen der DHDL-Jury ab dem Zeitpunkt richtig wegbröckeln sehen. Eine nach der anderen steigen sie aus.

Letztendlich sieht Maschmeyer wenig Erfolgsaussichten für das Projekt. „Das ist in etwa so, als wenn ihr jetzt eine Poststation mit Briefen aufbaut“, sagt er. Denn Maschmeyer glaubt, dass in ein paar Jahren KI in der Lage sein werde, wie ChatGPT automatisch in Gebärdensprache zu übersetzen, was bei Alangu eben nicht der Fall sei: Zu viel manuelle Arbeit. Ein Datenkorpus macht eben noch keine Künstliche Intelligenz, betont Maschmeyer noch einmal.

Die ganze Sendung kann hier (ab der Zeitmarke 1 Stunde und 57 Minuten geht es los mit Alangu) angesehen werden.

Taubenschlag-Fazit zum DHDL-Pitch von Alangu:

Man kann nur hoffen, dass Christina Schäfer sich nach diesem Auftritt bewusst wird, welchen Wert sie zu dem Unternehmen beiträgt – und auf eine angemessene Beteiligung pocht. Viel ist aber nicht übrig, wenn Stricker schon 45 Prozent hat und der Rest sich bereits auf drei andere verteilt und weitere zehn Prozent an Investoren verkauft werden sollen.

Tags: Avatar, Charamel, Die Höhle der Löwen, Gebärdensprachavatar, Künstliche Intelligenz, Tokenismus

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Daniel Büter
    22. Oktober 2025 17:05

    Die gehörlose Mitarbeiterin Christina Schäfer darf keine dumme Marionette für CEO Alexander Stricker sein! Augenhöhe bedeutet Gesellschafterin.

    Was hier bei Alangu passierte, ist ein Musterbeispiel für Audismus und digitalen Kolonialismus: Hörende Akteure profitieren, während die gehörlose Expertise aus den Eigentümerstrukturen gedrängt wird.

    Gebärdensprache gehört uns, der Gehörlosen- und Gebärdensprachgemeinschaft! Die Verantwortung für die Entwicklung des Gebärdensprachavatars und der Gebärdensprachkultur muss bei der Gehörlosen- und Gebärdensprachgemeinschaft liegen. Diese Firmenanteile sollten an eine Tochtergesellschaft des Deutschen Gehörlosen-Bundes e. V. abgegeben werden.

    Antworten

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